Die Pflanzen im Kästchen seien Moose, Flechten und Pilze. Sie habe diese eben von einer Expedition aus der Nordpolregion mitgebracht.
Eigentlich wollte ich nur wissen, ob am Stand Biodiversität an der Scientifica das Institut beteilgt ist, wo ich früher mein Unwesen trieb. Sie sprach englisch und fing an zu erzählen und Bilder aus einem Heft von national geographics zu zeigen; das Heft trug den Titel «Tod der Arktis» und brachte dem breiten Publikum die aktuellen Forschungsergebnisse über Klimawandel und deren Auswirkungen auf den Nordpol näher.
Ja, die Forschungsstation liege in Russland, nördlich von Jakutsk am Polarmeer, ein sehr weiter Weg von Zürich. Die Uni Zürich betriebe in Zusammenarbeit mit der Universität Jakutsk ein Station, sammle jeweils in den Sommermonaten teils mit Hilfe einer Drohne meteologische, ökologische und terrestrische Daten. Dieses Jahr sei überigens ausserordentlich warm gewesen, 29 Grad Spitzenwert, was nicht gut sei für den Permafrost, da dieser auftaue, den Boden absacken liesse und Unmengen Methan freisetzen würde. Die Häuser im Norden würden überigens auf Pfählen gebaut, damit beim Auftauen des Bodens keine zu grossen Risse entstehen.
Die Menschen im Dorf seien Sammler und Jäger, sie fingen Fische, schiessen Wild und ernten Beeren; in neuerer Zeit allerdings hätten sie angefangen, Mamutknochen aus dem Boden freizulegen, wobei sie einfach heisses Wasser in den gefrorenen Boden pumpten, bis er aufgetaut sei und sie Gruben graben könnten. Obwohl ihre Religion eigentlich es verbiete, würden die Knochen ausgebuddelt und nach China verkauft, weil dort ein Amulett aus Elefanten- oder Mamutknochen Glück bringen würde. Die gezahlten Preise, bis zu tausend Rubel das Stück, liesse die Leute ihren Ahnenglauben vergessen.
Ja, die Politik interessiere sich nicht, dass in 30 Jahren die Tundra und wahrscheinlich auch der Eisschild des Nordpols verschwunden sei; ganz im Gegenteil, die Anrainerstaaten beginnen schon, ihre Ansprüche zu deklarieren, weil unter dem Eis grosse Erdöl und -gasvorkommen vermutet würden, ebenso erhoffen sie den Abbau von Metallen aus dem Meeresgrund. Der Handel würde auch von einem Eis freien Nordpol profitieren, könnten doch so die Containerschiffe aus Asien die viel kürzere Route über das Eismeer wählen. Das Engagement für den Erhalt dieses riesigen Ökosystemes sei mehr als halb herzig, dass dabei auch Tiere wie der Eisbär und Vogelarten aussterben würden, wird still schweigend in Kauf genommen.
Ich fragte sie, woher sie komme; aus St. Peterburg. Sie sprach wirklich sehr gut englisch, leider mit diesem grauenhaften amerikanischen Akzent.
Sie strahlte, als ich ihr beim Abschied meine tiefe Bewunderung für Čechov und die anderen russischen Schriftsteller zum Ausdruck brachte.
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