Die Idee war ursprünglich eine völlig andere, Essen und Schach grob gesagt; da wurden die Brett spielenden Arbeitskollegen aus ihren Homeoffice Höhlen eingeladen, bei Futter und Getränk dem Hobby zu fröhnen und in entspannter Atmosphäre Figuren zu schieben.
Die Spielsets wurden ausgeliehen, nur die Essensfrage war schwieriger: Türkisch, asiatisch oder Tapas? Ein Blick auf das garstige Wetter liess die Erinnerung an diese opulente Schlachtplatte hochleben, die vor Jahr und Tag mal in der Roten Fabrik rein geschaufelt wurde. Warum nicht, es ist Herbst, Ernte- und Schlachtzeit, ein fetter Seelentröster in diesen dunklen Tagen; es erinnert auch an die Kindheit auf dem Lande, an Süssmost, Rosenkohl aus dem Garten, Blut- und Leberwurst, Leber und die anderen Innereien, die jetzt billig in der Metzgerei zu haben waren.
So eine Berner Platte herzurichten ist mehr Zeit aufwendig als technisch schwierig: es braucht da Siedfleisch, Rippli, Magerspeck, Rauchwürste, Sauerkraut, gedörrte Bohnen, Salzkartoffeln und, ja viel Geduld; auf die obligaten Knorpelteile wie Ohren, Schwänze oder Schnauze wurde verzichtet. Die Gäste brachten die Alkoholika mit, leider vorallem Bier und nicht diesen roten Landwein, der eigentlich grauenvoll schmeckt, aber zu diesem Gericht bestens passt.
Wie erhofft, wurde gespielt, geschlemmt, getrunken, geraucht, über schlechte Züge geschimpft etc, etc. Irgendwann war die Vorstellung dann da, dass es wie so ein Weihnachtsessen sei, da das normale wie vieles ausgefallen war.
Hm, die Wohnung roch übrigens noch lange nach Sauerkraut.
after work IV
Schatten
Das Gespräch verstummte plötzlich, und sie drehten die Ohren den Lautsprechern zu.
«de Gregori?»
«de André, lustig, habe heute im Brockenhaus Andrea gehört und ist immer noch traumhaft hübsch.»
Statt über Erkenntnistheorien, Traumanalysen und Philosophie tauchte man ab in eine Zeit, die schon lange zurück lag, wo an solchen Abenden die Gesellschafts kritischen Lieder aus Italien, Frankreich, Deutschland aufgelegt wurden, über Ideen, Religionen, Psychologie, Sozialismus und anderes diskutiert und gestritten wurde, wo der Glaube an etwas vorhanden war. Das Gefühl von damals war wieder da, vergessen die abstrakten Themen von vorhin, eher die traurige Feststellung, dass auch in der heutigen Zeit sich viele Menschen fremd bleiben, verharren in ihren Schützengräben von Nationalismus und Intoleranz.
Auf dem Balkon lagen später die 4 leeren Weinflaschen herum und warteten darauf entsorgt zu werden.
stairs
after work III
Das Mischpult
Marco hatte es in seinen Rucksack eingepackt; es sollte eine Überraschung werden, aber im Bandchat geisterte schon ein Bild herum, weswegen es dann doch keine war. Ein neuer Lautsprecher musste auch noch her, darum startete die Gruppe einen Ausflug zu einem Gitarrenladen, um so ein neues Teil zu erweerben.
Die Begeisterung war riesig, als alles mal installiert war, Marco mit den Knöpfen herum hantierte, da er in seinen Musestunden offenbar das dicke Handbuch gelesen hatte, und so die ersten etwas professionelleren Aufnahmen starten konnten.
Zum Anhören standen sie dann da in der Mitte des Raumes: Marco, Raphi, Thomas und der Schreibende und lauschten andächtig dem Krach, der da aus der Boxe strömte; es war ein sakraler Moment, und da der Sound ziemlich laut war, hörte man die Fehler, sprich Unebenheiten, gar nicht so richtig. Es war magisch.
Die Magie verflog, als die einzelnen Tonspuren später angehört wurden und es theoretisch die Möglichkeit gäbe, die Tonspuren zu bearbeiten, schneiden, verfremden etc, so eine Geduldsache, etwa ähnlich wie Fotonachbearbeitung mit einem Softwareprogramm. Raphi und Marco brachten die Energie auf und schnippselten aus dem Krach ein paar ziemlich brauchbare Versionen zusammen, die sogar im Freundes- und Verwandtenkreis auf Beifall stiessen; hm, sagen wir so, sie sind einfach nett und wollten dem Enthusiamsus nicht Abruch tun.
Sh: «Toent guet! De gsang isch eifach sehr im hintergrund»
M: «Der Sänger ist Käse, aber das sagen alle Sänger?»
S: «Wirklich cool. Gloria gefällt mir am besten. Dein Gesang gefällt mir auch. Ich schreib mal den stones ob sie noch eine vorband brauchen…. Aber vielleicht seid ihr zu jung….»
D: «Hei cool. Hat mein frühen Morgen aufgefrischt. Danke. D.»
Jaja, was so ein Spielzeug alles anrichten kann.
after work II
last survivor
Das letzte Stück
Da war es, das letzte Stück, wobei sich die Frage stellt, hat man es aufgespart, weil es das beste ist, so wie das Dessert nach einem Essen, oder hat man es zur Seite geschoben, weil es das mühsamste, längste ist, so wie man die Steuererklärung erst auf den letzten Drücker ausfüllt?
Nun, ein Blick auf die Karte bestätigt die Annahme 2, es ist das längste und mühsamste.
Der Weg durch den unteren Teil des Toggenburgs führt vorbei an den ausfranselnden Dörfern oben auf der Hochebene, da der Talgrund zu schmal und zu steil ist, weswegen der Fluss nur selten gesehen wird; vorbei an Bauernhöfen mit ihren Kühen, Pferden, Hühner- und Schweineställen, ihren Streuobstwiesen, vorbei an diesen typischen Schieferhäusern, von denen es aber leider nur noch wenige gibt, wodurch die Dürfer beliebig und austauschbar geworden sind.
Die Hochnebelsuppe war zäh und trotz ihrer Mühen gelang es der Sonne nicht, sie zu vertreiben, was vielleicht auch des Wanderers Glück war, versank doch diese hässliche Agglomeration mit den vielen Gewerbefabriken am Ende des Weges im Schleier der Dämmerung, dort wo der Fluss nach Osten biegt.