Orangensaft

Er lag im Dämmerzustand im Bett, das Handy fest umklammert; es könnte sein, dass seine Freundin ihn anrufen würde, der letzte Draht zum Diesseits.
Manchmal schaute die Krankenschwester vorbei, las die Zahlen vom Gerät, schrieb was und flöste etwas Orangensaft in seinen Mund.

Spoor 22

Der Zug hatte Verspätung, es waren bereits über 40 Minuten verstrichen; offenbar war auf der Strecke bei einem anderen, voraus fahrenden Zug ein technischer Schaden aufgetreten, und auf der Strecke begann sich ein Stau zu bilden. Als er endlich einfuhr und ein spärlicher Sitzplatz gefunden war, erfolgte in der fremden Sprache eine Durchsage, dass der Zielbahnhof ausgelassen würde, weswegen eilig das Gepäck ergriffen und der Wagen wieder verlassen wurde. Es war nicht so schlimm, da der darauf folgende Zug gleich ankommen würde.
Später wurde klar, dass die unverständliche Durchsage gelautet hatte, dass der Zug direkt zum Zielbahnhof durchfahren würde und der Halt in der Station dazwischen gestrichen würde.

Mehr zum Bahnhof

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Abendspaziergang

Das Licht und Wetter war gut, um die Stadt mal kennen zu lernen. Unweit der Küste gelegen und beeinflusst von der Nordsee kann es schnell windig und regnerisch werden.
Namentlich erwähnt wurde sie im frühen Mittelalter, doch es gab schon früher Überreste gallisch-römischer Siedlungen.
Dank dem Hafen an der Schelde, die hier zu einer breiten, 88 km langen Trichtermündung ansetzt, was ein idealer Standort für die Hochseeschifffahrt ist, und dem Tuchhandel entwickelte sich die Stadt prächtig, erbaute die Liebfrauenkathedrale am grossen Markt, der von reich geschmückten Patrizierhäusern geschmückt ist.
Der Niedergang erfolgte mit der Rekatholisierung durch die Spanier, das Gebiet war ein Teil der spanischen Niederlande, was ein Exodus der reichen Kaufleute nach Amsterdam nach sich zog. Ja, Antwerpen hatte viele Herren: Brabanter, Burgunder, die erwähnte Spanier, Habsburger, Franzosen unter Napoléon, Holländer, bis die Stadt 1832 Teil des neuen Staates Belgien wurde.

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Heute zählt die Stadt über 500’000 Einwohner und ist die grösste des Landes; der Aufschwung begann mit der Industriealisierung des Landes. der Wiedereröffnung des Hafens, dem dunklen Kapitel Kongo, der Kolonie, die dem König gehörte und deren ausgebeuteten Güter über den Hafen importiert wurden und dem Diamanthandel.
Vebunden mit dem Wachstum wurden um das heute fast Auto freie Zentrum neue quadratische Quartiere mit Innenhöfen angelegt und umliegende Gemeinden wurden von der Stadt aufgesogen.
Grünflächen sind in der Kernzone etwas Mangelware; erwähnt sei der grosse Stadtpark oder gleich um die Ecke der kleine, sympathische Botanische Garten.

Morcote

Gemäss Aussagen ist dieser ehemalige Fischer- und Handelsort der meist fotografierte Ort der Region, was beim Durchschlendern der Gassen, dem Beobachten der in Restaurants, Pizzerias, Tavernen und Bars herum lungernden Touristen nicht erstaunlich ist.
Der Aufstieg des Dorfes erfolgte früh, als es auf Grund seiner günstige Lage am See vom damaligen Lehensherrn aus Mailand Markt- und Fischereirechte erhielt. Auch nach der Eroberung durch die Eidgenossen prosperierte der Flecken, da die neuen Herren die alten Rechte nicht antasteten. Erst der Bau des Dammes im Norden des Sees läutete den Niedergang des Handels mit Italien ein, was aber zu verkraften war, da bereits ein touristischer Boom eingesetzt hatte, wie dies zum Beispiel mit dem Parco Scherrer illustriert wird.

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Es gibt wie immer viele Wege, die nach Morcote führen: mit dem Schiff, dem Autobus, dem eigenen Gefährt oder eben zu Fuss von Lugano aus über den San Salvadore, diesen grandiosen Aussichtsberg von fast 900 m. ü. M., der notabene das Ziel unzähliger Schul- und Rentnerausflüge ist. Der Aufstieg zieht sich hin, ist dennoch begehbar und wird auch rege genutzt. Die Südseite des Weges führt hinunter, vorbei an den Dörfern und Weilern Ciona, Carona und Torello an die Ufer des Sees.

Lokführer

Er nickte kurz mit seinem Kopf und setzte sich gegenüber hin, ein massiger Mann mit kahlem, runden Kopf, der Atem roch nach einer hastig gerauchten Zigarette.
Er begann zu dösen, blickte kurz kurz auf, als der Kontrolleur, der ihn offenbar kannte, vorbei kam. Jenseits des Tunnels bei der nächst grösseren Stadt knöpfte er die gefütterte, beige Manchester Jacke zu, packte den weissen Schal, nickte kurz und entschwand im jungen Frühlingsmorgen.

Turn on

Die Freude war riesig, als uns Felix die abgemischten Aufnahmen sandte; wir klebten im Büro und hörten usnere Arbeit an; es war eindrücklich, jedoch beschlich uns beim zweiten oder dritten Anhören, dass es Fehler gab, zwei, drei Songs nicht so optimal aufgenommen wurden etc, etc. Hm, zuviel Perfektionismus wohl.
Raffi erklärte sich bereit, sich um die CD zu kümmern, der Name war eine Idee von Marco: Turn on.
Nebst einem Vorschlag für das Booklet wurde dann drei Monate lang nichts mehr gehört von diesem Projekt, bis Raffi eingestand, dass er die Motivation daran verloren habe. Das war wirklich schade und etwas flau, da ich gerne die Freunde mit dem Epos zu Weihnachten beglückt hätte.
Etwas verägert bastelte ich an einem Wochenende an dem Projekt herum und realisierte einen Entwurf, der mir zusagte; die Produktion von 50 Stück dauerte nochmals, weswegen das Weihnachtsgeschenk halt rund ein Monat später in den Händen der Freunde und Bekannten lag. Sie freuten sich sichtlich und lobten unseren Erstling.
Vielleicht hatten wir erwartet, dass die Songs grössere Wellen schlagen würden, aber zu unserem Leidwesen wollte niemand im Radio die Songs spielen, das heisst. niemand hat auf uns und unsere Musik gewartet. Spontan spielten wir dann ein paar Songs an einer Veranstaltung im GZ; dem Publikum gefiel es.

Citylights

Quasi ein Mitbringsel von früher; der Song entstand, als ich zu Hause an diesem neuen Boss Effekt Gerät herum hantierte und irgendwie über den Sound zu message in a bottle stolperte; mir gefiel er und ich klimperte ein bischen damit herum. Im Verlaufe entstand das Bild, dass die Jungs sich auf den Weg machen in die Stadt, zu den Lichtern der Grossstadt, sich präsentieren auf einer Party, Frauen treffen, über Frauen reden. Ein Kontrast zur damaligen Situation. Ich nahm das Fragment mit in den Übungskeller, und die ehemalige Band Vorwahl 74 begann damit zu spielen.
Nach dem Split wurde es mit der neuen Gruppe geprobt, und es entwickelte sich mehr in Richtung Funk, die Idee, dass Marco das Solo auf dem Bass spielen könnte, war eine Laune eines Übungsabends, aber es passte. Silja übernahm Backing Vocals und fertig war der Song. Er gab der Band auch den zukünftigen Name, aber das ist eine andere Geachichte.

Road ahead

Da kam Thomas mit diesem Text, der indirekt etwas über seinen Werdegang erzählt und auch eine Homage an seinen Vater ist. Raffi baute dazu dieses coole Rockriff und fertig war der Song.
Beim Anhören des Refrains sehe ich immer einen glücklich pfeifender Junge, vielleicht mit Schirmmütze, der eine Strasse runter geht. Ein geradliniger,schnörkelloser Song mit dem Overdub Solo von Raffi.

Sleepless

Wir sprachen oft über Musik und Stilrichtungen; eines Abends war, glaube ich, die Diskussion auf das Thema Disco abgeschweift mit dem latenten Wunsch, so etwas mal zu spielen. Zu Hause bastelte ich an diesem e moll Riff herum, ein sinnvoller Text war in weiter Ferne.
Als ich an einem Sonntag der Limmat entlang spazierte, im Hinterkopf dieses Riff, fing es an zu sprudeln, und ich begann, den Text auf meinem Handy nieder zu schreiben. Generell ist der Inhalt ziemlich blöde, wahrscheinlich assoziere ich Disco mit Frauen aufreissen oder so. Das einzige Amüsante ist die Reminiszenz an James Brown, dem Godfather of soul and funk. Thomas sang da brav Background Vocals, Raffi bastelte am Schluss ein cooles Solo dazu, Marcos Funk Bass fantastisch. Aber wie gesagt, der Text ist doof.

Pilgrim

Das Lied entstand aus einer Jam Session im Keller; wir spielten da ein paar Akkorde, die irgendwie nach Mittelalter oder so tönten. Ich fand die Akkordstruktur viel zu hübsch, um nichts daraus zu machen und schrieb den Text von Pilgrim dazu, eigentlich eine Geschichte über Auswanderung aus Armut, was vor knapp 200 Jahren häufig war. Verweisen sei auch auf den Roman Ibicaba von Eveline Hasler, der diese Periode aus dem Kanton Glarus beschreibt.
Das Stück entwickelte sich von Probe zu Probe; war es ursprünglich eher eine Ballade, da bastelte Thomas mit seiner Basstrommel einen Sound dazu, der nach Galeerensträflingen tönte, Raphi setzte in den Zwischenpausen etwas Distortion ein; so entstand so eine Art Hard Rock Ballade, viel 70 iger Jahre Sound. Das Intro war eine spontaner Einfall, etwas spanisch angehaucht. Last but not least verhalf Siljas Gesang dem anklagenden Ton des Stücks eine ruhige Note.