Volkspark

Neulich musste ich in meinem Geburtsort warten, bis die Bäckerei die Gebäcke fertig hergestellt hatte; ich nahm mein Buch und setzte mich in den Volkspark.
Dieser Park, eine nicht besonders grosse Grünanlage liegt gleich neben dem Bahnhof, ein Springbrunnen in der Mitte, irgendein Kriegsdenkmal beim Eingang, eine Vogelvoliere auf der anderen Seite.
Was aber neu war, dass ein Strassenrestaurant eröffnet worden ist; aus eine Bretterbude werden Getränke und Gebäck verkauft, auf der Strasse sind Stühle und Tische aufgestellt. Der Park wirkt dadurch viel lebendiger und fröhlicher.
Ich stellte mich bei der Theke an, musste allerdings warten, bis die Dame hinter der Bedienfläche ihr Gespräch mit einer jungen Tamilin beendet hatte; diese dunkelhäutige Frau sprach einen lupenreinen Dialekt; ich war total gerührt, weil hier auf dem Land Integration doch viel schwieriger ist als in der Stadt.
Leider war Grüntee nicht erhältlich, so bestellte ich einen Kräutertee, setzte mich in die Sonne, las mein Buch und schaute dem Treibern im Park zu.
A perfect day.

Soap from Aleppo

Auf dem Weg zum Bahnhof liegt in einer Kurve dieser Fairtrade Laden, ein heller gräumiger Raum.
Ich ging rein und schaute mich mal um; hier werden Handwerkserzeugnisse aus den Partnerländer verkauft, Keramik aus Peru, Kerzen aus Mali, Tee aus Nepal, sehr viele Kleider von überall her. In einem Gestell sind farbige Stoffe ausfgespannt, sehr hübsche fröhliche Farben. Ich liebe solche Läden.
Ich entschloss mich, einen Friedenstee aus Burma und eine Seife namens Soap from Aleppo zu kaufen.
Der Tee aus Burma ist ein Grüntee aus dem Norden zur Grenze zu China, die Seife enthält unter anderem Sandelholz, Citrus und Ingwer.
Irgendwie wurde ich nachdenklich bei der Seife aus Aleppo, da diese Stadt in Syrien nach dem Bürgerkrieg dort völlig zerstört worden ist und viele der Einwohner ins Ausland geflüchtet sind.

Where you come from?

Einer der Jeeps hatte eine Panne und wir hielten in einer dieser kleinen indischen No Name Städten; die Kurbelwelle war durch einen Stein beschädigt worden und musste repariert werden. So schickten wir die Studenten zun Sigthseeing und wir fuhren zu einer Tankstelle. Wir sahen schon alle ockergelb aus vom Staub, der sich nicht nur in den Kleidern sondern auch in den Haaren fest gesetzt hatte.
Wir waren auf dem Weg zu einem Kratersee irgend wo in der Pampa von Rajasthan; Mr. Cook hatte diese Kraterseen auf einer Karte entdeckt und wollte sie unbedingt ansehen. Da an diesen Kraterseen auch alter Hindu Tempel steht, kam Miss Meta, eine indische Professorin ebenfalls mit.
Diese Kratereseen sind nicht sehr gross; die Umrundung dauerte etwa 2 Stunden, allerdings bei 40 Grad doch ein mühsamer Weg. Miss Meta in ihrem Sari litt jedenfalls ziemlich. Am anderen Ende des Sees steht dieser alte Shiva Tempel aus dem 10. Jahrhundert, aus Stein, übersäht mit Figuren aus der indischen Mytholgie, der Innenraum war dunkel, ebenfalls ausgeschmückt mit Steinfiguren. Ich fand dann später heraus, dass das Gebiet Ramgarh crater heisst und es sich um einen Meteoriteneinschlag handeln müsse.
Da die Strassen sehr schlecht sind, fuhren wir mit 2 Jeeps los, über staubige Feldwege, Schlaglöchern, ausgewaschen vom Monsumregen.
Ein indischer Mechaniker kroch mit dem Schweissbrenner unter das Auto und begann die Kurbelwelle zu flicken; vorsichtshalber schlich ich ein paar Meter weg, ich traute der Sache nicht ganz.
Nach ungefähr einer Stunde war der Jeep wieder flott; ich wurde beauftragt, mal nachzusehen, wo den die Studenten geblieben sind. Ich wanderte die Haupstrasse runter und spähte nach ihnen, sie waren wie vom Erdboden verschwunden, bis ich vor einem Haus eine Menschentraube stehen sah. Ah, da müssen sie sein; ich bahnte mir den Weg durch die Menge und ging hinein. Tatsächlich sassen sie da in einem Restaurant und tranken Tee, durchs Fenster lachten Schulkinder hinein. Wir brachen auf. Eine Herr mit Brille stellte sich als der lokale Englischlehrer vor und wollte wissen, woher wir den kommen würden? Die indischen Schüler lernen als Landessprache Hindi und Englisch, aber meistens ist das Englisch nicht besonders gut, weil viele Kinder vor allem auf dem Land die Schule nicht abschliessen, sondern auf dem Feld arbeiten müssen. In dieser kleinen Stadt waren damals noch nie irgendwelche Europäer gewesen, da sie abseits des grossen Touristenstromes liegt. Umringt von grinsenden Kindern, die uns an den Armen zupften, und etwas schüchternen Erwachsenen schlugen wir uns bis zur Tankstelle durch und setzten die Reise fort.

Where you come from?

Makatussin Comp

Auf dem Nachhauseweg vom Klub wurde ich von einem jungen Mann angesprochen, ob ich ihm einen Gefallen machen könne, ob ich für ihn in der Apotheke einen Hustensirup kaufen könne. Erstaunt über seinen sonderbaren Wunsch schob er nach, dass er das Codein konsumiere. Ich fragte ihn, warum er denn nicht selbst das Zeug kaufen gehen würde, erzählte er mir, dass auf Grund eines Zeitungsartikels die Apotheken den Sirup nicht mehr an junge Leute verkaufen würde.
Da mir die Sache doch sonderbar erschien, sagte ich zu; er rannte noch in den Kiosk um für mich Kaugummis zu kaufen, da mein Atem etwas nach Bier roch und er nicht sicher war, ob die Apotheke es mir verkaufen würde. Ich lachte und versicherte ihm, dass es kein Problem sei.
Der Hustensirup heisst übrigens Makatussin Comp, rezeptfrei und kosten so 7.-.
Ich betrat die Apotheke, hüstelte prophylaktisch drei Mal und fragte auf Grund meiner schweren Erkältung nach dem Sirup. Die Dame fragte nicht gross, vorallem da ich noch ein Mittel gegen Fieber kaufte.
Draussen wartete der junge Mann, ich drückte ihm das Zeugs in die Finger und wir gingen noch ein Stück. Er konsumiere das Codein bereits seit über 2 Jahren; ich riet ihm damit aufzuhören, weil irgendwann er sonst auf härtere Sachen umsteigen würde. Am Schluss bot er mir noch einen Joint an, was ich allerdings dankend ablehnte.
Wahrscheinlich war es Fehler von mir, ihm zu helfen, da Codein zur Gruppe der Opiate gehörend wirklich ein Suchtpotential darstellt, und eigentlich Rezept pflichtig sein müsste. Muss mal bei Boris nachfragen.

Reagge in Dali

Wir beschlossen, ein paar Tage in Dali zu verbringen; diese liegt 8 Zugsstunden entfernt auf fast 2000 m.ü.M. Der Zug ruckelte durch die Landschaft, hielt oft lange an einem Bahnhof, um den Kreuzungszug abzuwarten. Aus dem Fenster sah man bereits die Neubaustrecke, mit der die Fahrt nur noch 4 Stunden dauern würde. Ansonsten schlängelt sich das Gleis durch die Gebirgslandschaft von Yunnan, vorbei an Feldern und Bauernhöfen, vorbei auch an kahlen abgeholzten Hängen.
Dali selbst besteht aus einer neuen modernen Stadt und einer historisch alten Stadt, die von einander 13 km entfernt sind. Wir wollten in diesen Touristenort, deren Wahrzeichen drei Pagoden sind; die Stadt ist kurz zuvor zusammen mit dem angrenzenden See ins Unesco Welterbe aufgenommen worden und wird von der chinesischen Regierung als Tourismus Ort auch gefördert.
Der Umriss der Stadt ist quadratisch, jede Seite weist ein typisch chinesisches Stadttor auf, dicke Mauern, geschwungene Drachendächer.
Auf Grund einer Empfehlung wollten wir in einem bekannten Hotel nächtigen, aber da es teuer war, fanden wir in einer Seitengasse ein kleines Hotel, geführt von einer Familie.
Die Stadt wurde hübsch renovert und zurecht geputzt für die chinesischen Tagestouristen; diese reisen am Morgen mit den Bussen an und spaziern mit ihrem Reiseführer durch die Altstadt, kaufen irgend welche Souvenirs und verschwinden nach 2 bis 3 Stunden wieder. Wenn es langsam wieder dämmerte, gehörte die Stadt wieder den Einheimischen und den Touristen, die dort ein Hotel gebucht hatten.
Abseits der Haupstrasse in einer Seitegasse entdeckte ich 2 sehr untypische Restaurants, die mich zum Schmunzeln brachte.
Einerseits hatte ein Belgier, ich wiederhole, ein Belgier eine Frittenbude eröffnet und bot den Passanten Kartoffelprodukte an. Fast neben an erklang aus einer Bar Reagge Musik. Das musste ich unbedingt sehen und trat durch den Perlenvorhang ins Innere. Da gab es im schummrigen Licht Sofas und Tische, eine kleine Theke, am Wand hing ein Poster von Bob Marley. Die Musik kam aus dem Lautsprecher. Ich war hingerissen, Reagge in China auf 2000 m.ü.M. Ich plumpste in ein Sofa, bestellte ein Bier und schaukelte mit der Musik mit. Der Barbesitzer war sichtlich erfreut über den Touristen, leider gab es da ein paar Sprachprobleme, was mir eigentlich etwas egal war.
So nach 30 Minuten realisierte ich, dass die Musik wieder von vorne begann; es war Zeit wieder aufzubrechen.

Kobra

Wir sassen nach dem Essen im Speisesaal, tranken und rauchten; Mr. Cook war bereits in sein Zimmer gegangen. An den Wänden des Speisesaals hingen ausgestopfte Hirsche, Impalas, Löwen und was auch immer; auf dem Flur konnte man über Tigerköpfe stolpern.
Die Studenten selbst wohnten nicht hier; sie waren in einem Guest House der Regierung unter gebracht, das etwa 20 Fussminuten entfernt lag. Abwechselnd assen alle hier im ehemalgien Maharadscha Palast oder wir gingen in die Stadt.
Mr. Cook hatte mich als seinen Assistenten mitgenommen, quasi als Koordinationsperson zu seinen Studenten; als Botaniker bin ich ja ziemlich unbrauchbar. So sorgte ich dafür, dass alles für die Studenten vorhanden war, koordinierte die Termine. Oft spazierte ich Abend nach Einbruch der Dunkelheit von diesem Guest House zurück zum Hotel; die Strasse endete am Rande des Parks; dort befand sich ein kleiner Strassenstand, wo der Händler Zigaretten verkaufte; es gab nur diese grauenhaften indischen Zigaretten, mit der Ausnahme von Stuyvesant, die in Linzenz hergestellt wurden. Von der Strasse bis zu Hotel lag dieser dunkle Weg durch den Park vor mir; ich fürchete mich jedes Mal, da durch zu gehen, es hätten ja irgend welche Schlangen und so auf dem Weg liegen können. Am Ende des Weges leuchtete eine fahle Lampe den Weg durch den Duchgang auf die Veranda; dort war mein Zimmer, Mr. Cook bezog sein Terrassenzimmer ein Stockwerk weiter oben.
Wir waren die einzigen Gäste; Mr. Cook hatte dem alten Hausdiener Mr. Singh die strikte Anweisung gegeben, niemanden mehr aufzunhemen. Bei meiner Ankunft jedenfalls staunte Mr. Sing nicht schlecht, dass dieser verstrubbelte Backpacker der Assistent von Mr. Cook sein soll; zuerst hatte er mir weissagen wollen, dass das Hotel ausgebucht sei. Er schimpfte dann mit dem Rikscha Fahrer, der mich vom Bahnhof hierher gebracht hatte, weil dieser statt den üblichen 5 Rupies mir deren 10 abgeknöpft hatte.
So standen die 4 Bediensteten nur uns zur Verfügung, der Koch und 2 andere, und über ihnen thronte Herr Sing und gab Anwesiungen.
Das Zimmer war gross, mit eigener Dusche. Da das Guest House doch spärlich ausgestattet war, kamen die Studenten jeweils bei mir duschen. An der Decke drehte sich ein Ventilator, die Fenster waren mit einem Drahtnetz versehen, damit keine Insekten oder Kleintiere ins Zimmer flogen. Dennoch schafften es Geckos, sich an der Decke festzukleben und bei der Dämmerung auf Insektenjagd zu gehen; mit ihren Saugnäpfen können sie die Wände und Decken rauf- und runter rennen. Irgendwann gab ich es auf, sie aus meinem Zimmer zu jagen.
So sassen wir im Speisesaal, als plötzlich Mr. Cook mit einer Taschenlampe herein stürmte und rief: «Draussen eine Kobra». Alle erhoben sich, ich mich auch, allerdings auf einen Stuhl; ich dachte, dass Mistvieh sei im Speisesaal. Dabei hatte Mr. Cook die Schlange draussen in einem Blumetrog entdeckt und wollte sie den Studenten zeigen.
Als wir dann im Garten standen, war sie schon weg; Schlangen sind sehr scheu und rennen bei geringster Gefahr weg.
Was mich nachher zutiefst beschäftigte war die Tatsache, dass ich nach der Morgendämmerung immer im Pyjama in den Garten ging, runter zum Jambal River schaute und eine Zigarette rauchte; ich liess es nachher bleiben, die Vorstellung, dass ich nicht alleine im Gras stehen würde, war mir ziemlich unangenehm.