Lungenentzündung

Ich wachte auf und hatte hohes Fieber und Husten; ich fühlte mich schon am Tage zuvor sehr schlecht, als wir mit Bus von Bangalore nach Mysore gefahren waren.
Wir beschlossen, einen Arzt aufzusuchen. Ich fürchte, diese bösartige Malaria aufgelesen zu haben, gegen die es damals kein Mittel gab.
Eine indische Arztpraxis unterscheidet sich doch sehr von der hier in Europa. Es gab fast nichts, d.h. keine Instrumente, Apparate. Der Arzt hörte mit dem Stetoskop meine Lunge ab und bat mich, in ein Glas zu pinkeln. Unter dem Mikroskop untersuchte er den Urin. Es gab sehr viele weisse Blutkörperchen drin.
Sein Befund lautet, Lungenentzündung. Einerseits war ich erleichtert, andererseits Lungenentzündung in Indien ist auch nicht so der Hammer. Mir fiel ein, dass auf der Zugfahrt nach Bombay ich unter der Kühlanalge gelegen hatte, und der ständige Wechsel zwischen kalt und der subtropischen Hitze war wohl nicht besonders förderlich für meine Gesundheit.
Er riet mir, Antibiotika einzunehmen. Er selber gab mir keines mit, drausssen auf dem Markt konnte man welches kaufen. Wir kauften irgend eines, ich schluckte es und kroch ins Bett. Den nächsten Tag ist mir nicht mehr präsent, die Medikamente waren extrem stark. 2 Tage später kroch ich wieder aus dem Bett hervor und war einigermassen wieder bei den Lebenden. Wir wollten sowieso mit dem Bus weiter zur Küste runter. Ich staune auch heute noch, wie dieser indische Arzt ohne grossartige Infrastruktur seinem Beruf nach kam, mehr mit seiner Erfahrung und Beobachung die Patienten behandelte.

Baumgartner

Baumgartner so heisse der Mann, schrieb mir das DEZA zurück; ich hatte angefragt, ob das DEZA irgend welche Entwicklungsprojekte in Indien unterhalte. Das traf sich gut, da wir sowieso nach Trivandrum reisen wollten. Ich schrieb ihm einen Brief, dass wir ungefähr Anfang Oktober bei ihm mal den Kopf rein strecken würden.
Bevor wir von Rajasthan los fuhren, gab ich ein Telegram auf, in dem ich ihm mitteilte, dass wir 5 Tage später ankommen würden.
Angekommen in der Stadt begaben wir uns die Suche nach dem DEZA Büro; Baumgartner war tatsächlich da und freute sich uns zu sehen. Er war ein stämmiger Berner, umgänglich und ein toller Geschichten Erzähler.
Eine Geschichte von ihm? Bitte schön: In Nord Kerala untersützte das DEZA den Aufbau von Milchwirtschaft, indem sie z.B. Käsereien finanzierten. Da die einheimische Viehrasse, die Zebus nicht die gewünschte Milchleistung erbrachte, verfiel das DEZA auf die Idee, Schweizer Kühe zu importieren; leider waren diese Schweizer Kühe gar nicht so glücklich in Südiniden, worauf die ETH beaufragt wurde zu untersuchen, was den diesen Kühen zu Glück fehlen würde. Die Antwort und Empfehlung der ETH wr erstaunlich: baut doch einfach die Schweizer Grassorten an.
Baumgartner lud uns auch zu einem indischen Tanztheater ein und anschliessend fuhren wir zu ihm nach Hause, wo sein Koch das Abendessen zubereitet hatte. Ein amüsanter Abend mit seinen Short Story, warum er Jack Daniels in seiner Bar besass, obwohl es diesen in der Stadt gar nicht zu kaufen gab. Baumgartner unterhielt beste Beziehungen zur Schweizer Botschaft, und diese schmuggelte den Whiskey Vorrat als Diplomaten Gepäck ins Land.
Michael und ich beschlossen, uns bei ihm zu revanchieren; bevor wir Trivandrum verliessen, gingen wir mit ihm ins besten Restaurant essen. Auf Grund der vielen Minderheiten in Inden gibt es das Toleranzprinzip, wonach diese ihre Kultur und Gebräuche ohne Vorbehalt ausüben dürfen; einer dieser Minderheiten baute für ihre Riten Cannabis an; dies war uns Touristen durchaus bekannt, und Michael als Freund dieser Produkte kaufte 10 Gramm Gras. Es war eine Unmenge. Leider wusste auch die Provinzregierung, dass die Ausländer auch ihre Freude an botanischen Pflanzen haben, und da sie es nicht verbieten können, wurde kurzer Hand der Verkauf von Zigarettenpapierchen untersagt.
So sassen wir im Hotelzimmer mit sehr viel Gras aber ohne Papierchen; es war egal, wir schütteten aus den normalen Zigaretten den Tabak raus und stopften das Gras ein.
Als wir zum Restaurant kamen, waren Michael und ich ziemlich stoned; Baumgartner wartet schon dort, und da wir uns verspätet hatten, hatte er sich bereits ein paar Drinks genehmigt und war auch schon schwer angeschlagen. Das Essen selbst ist mir nicht in Erinnerung geblieben, der Abend floss irgendwie dahin, Baumgartner erzählte irgendwelche Geschichten und wir grinsten um die Wette.

Dehli

Das Flugzeug setzte bei Anbruch der Dämmerung auf der Piste auf; wir waren seit 8 Stunden unterwegs und alle dösten ein bischen vor sich. Die Kabine war geschwängert vom Zigarettenrauch, Armin sass neben mir, grün im Gesicht, da er dauernd in die Papiertüte kotzen musste.
Über dem Flughafen tauchte langsam die Sonne auf; es roch nach Diesel und Benzin, der Himmel war hinter einem gelb braunen Schleier aus Smog gar nicht zusehen. Ich bin da, dachte ich, angekommen.
Die Zollformalitäten gingen ohne Probleme von statten; kurze Zeit später warten wir in einer Halle auf Mr. Cook. Er war nach draussen gegangen, um Taxis zu organisieren.
Nach längerem Warten stand er wieder vor uns; draussen standen zwei der Taxis, Hindustan Ambassadors, wie ich später las, eine Eigenproduktion des Landes. Mr. Cook verteilte die Studenten auf die beiden Autos; er fuhr im vorderen Wagen, ich sass im zweiten vorne, und der Fahrer bekam die Anweisung, dem ersten Taxi zu folgen.
Vom Flughafen in die Stadt gab es eine Autobahn, die um diese Uhrzeit noch nicht stark befahren war. Unser Ziel war ein Guest House der Universität, um uns dort zu erholen, bevor es dann für einige in die Stadt, bzw. für den Rest der Gruppe mit dem Zug in den Süden ging.
Der Fahrer erklärte mir in diesem indischen Singsang Englisch, dass Rauchen im Auto strikt verboten sei; auf meine Frage warum, deutete er nur nach unten, wo meine Füsse auf einer Matte lagerten. Diese war durchtränkt mit Benzin und bereits begann sich die Sohlen von meinen Turnschuhen zu lösen. Ein kleines Streichholz und der Indientrip wäre schon nach dem Flughafen zu Ende gewesen.

On the road

Es war noch dunkel, als wir das Hotel verliessen; auf dem Markt kaufte der Schwiegervater Proviant und gekochte Eier. Er bot mir auch eines an, was ich allerdings bereute, da es wie ein Stein in meinem Magen lag.
Der Bus war ein Doppeldecker Sleeper Bus; es gab 2 Reihen übereinander mit Schlafkojen. Wir hat unsere oben, ich am Fenster.
Die ersten paar Stunde veliefen ohne Probleme, da die Strasse sehr gut ausgebaut war. Nach einem kurzen Rast bog der Bus in einen Feldweg ein, der sich n den Kuppen der Hügel schlängelte; der Weg war durch die Regenfälle schon recht ausgewaschen, de Bus neigte sich oft gefährlich dem Abgrund entgegen. Da ich oben lag, schaute ich immer in den Steilhang runter und begann bereits innerlich mein Testament zu schreiben; meine Gitarrensammlung sollte mein Neffe bekommen, den spärlichen Rest meine zwei Patenkinder.
Meine Todesängste waren zwar etwas übertrieben, aber während der Monsumperiode ist nicht selten, dass irgendein Bus auf den glitschigen Feldwegen den Hang runter fällt. Zum Glück war die Strassse trocken.
So etwa alle 4 Stunden hielt der Bus an einer Raststätte, alle stiegen aus um sich die Beinen zu vertreten, etwas zu essen und Tee zu trinken. So fuhren wir durch die Gebirgslandschaft und erreichten am späten Nachmittag das Tal des Red Rivers; dieser entspringt wie alle anderen Flüsse vom tibetischen Hochland und mündet in Norden von Vietnam ins Meer. Wunderbar in dieser Landschaft sind die terrassierten Reisfelder, die sich weit die Hügel hinauf ziehen.
Der Red River war allerdings nicht unser Ziel, wir fuhren auf der anderen Seite wieder die Hügel hinauf; es war schon dunkel draussen und ich döste auf der Pritsche.
Bei der Morgendämmerung hatte der Bus irgend eine Ebene erreicht und hielt vor einem Kontrollposten an, der die Pässe der Reisenden kontrollierte. Damals brauchten die Einheimischen die Erlaubnis der Arbeitstätte und des Wohnortes, um überhaupt verreisen zu können. Ich ging nach draussen, um zu rauchen und die Beine zu vertreten.
Als ich wieder eintieg, zeigte der Soldat auf meinen Pass und fragte irgend was; der Sprache unmächtig beschloss ich, einfach zu lächeln, er lächelte zurück und stieg ein. Später wurde mir klar, er wollte wissen, woher ich kam; er hatte so ein Dokument noch nie gesehen.
Die Weiterfahrt wurde dann nochmals etwas unterbrochen, weil der hintere Reifen geplatzt war; es war lustig zuzusehen, wie die beiden Fahrer probierten, den Reifen auszutauschen. Sie führen mit dem Bus rückwärts auf einen grossen Stein, das Reserverad war an der Unterseite angeschraubt. Die Jungs hätten mich lieber nicht zusehen lassen sollen: das Profil auf den Räder war nicht mehr vorhanden, wir waren quasi auf glatten Reifen durch diese abschüssige Hügellandschaft gefahren.
Nach dem sie etwa eine Stunde versucht hatten, den Reifen zu wechseln, gaben sie auf und erklärten, auf einen Ersatzbus zu warten. Da ergriff mein damaliger Schwiegervater die Initiative und stoppte kurzerhand einen vorbei fahrenden Linienbus. Wir holten das Gepäck und stiegen in den Bus.
Am späten Nachmittag erreichten wir endlich unser Ziel, Jinghong am Mekong; ich wollte unbedingt diese Fluss mal sehen, diese Lebensader Südostasiens. Bei Jinghong ist der Fluss noch nicht so breit, weil hier der Übergang vom Gebirge in die Ebenen statt findet.
Hier war es wieder, dieses Easy Going Lebensgefühl, sicher auch weil es tropsch warm ist.
Eines Tages beschloss der Schweigervater einen Wagen zu mieten und noch zwei Sehenswürdigkeiten anzusehen; so fuhren wir ein Seitental Richtung Westen bis wir Stunden später den Elefant Tree erreichten; dieser einzelne Baum hat im Verlauf seines Lebens unzählige Seitenstämme ausgebildet, worauf es wie ein kleiner Wald aussah. Ich konnte mich nicht des Verdachtes erwehren, dass dieser Baum irgend eine religiöse Bedeutung hatte.
Wir fuhren weiter bis zur Grenze nach Burna; jenseits der Grenze gibt es ein buddhistischer Tempel aus weissem Marmor mit vergoldeten Kuppeln; ich fragte, ob ich mal kurz rüber gehen könnte um den Tempel von Nahen anzusehen. Theoretisch war das kein Problem, allerdings hätten mich die Chinesen nicht mehr ins Land gelassen, weil bei Grenzübertritt automatisch das Visum erloschen wäre.
Vom Mekong zurück in die Grossstadt dauert auch wiederum so 16 Stunden; die Strasse windet sich dem Relief des Gebirges entlang auf die Hochebene von 1700 m.ü.M. Inzwischen gibt es eine Autobahn, auf der der Weg dorthin nur noch 8 Stunden dauert.
Diese Rückreise ist nicht nennenswert ausser, dass in einer Raststätte ein ältere Herr sich gegen Geld fotografieren liess; die Bedeutung wurde mir später erklärt: in den 60 Jahren besuchte die damalige Nummer 2 im Land Zhou Enlai diese Provinz und schüttelte dem oben erwähnten Herrn die Hand. Nun was für eine Ehre für einen Staats gläubgen Chinesen, dem die Hand zu schütteln, dem Zhou Enlai die Hand geschüttelt hat!

Fast erfroren

Kurz vor Anbruch der Dämmerung erreichten wir die Stadt; der Bus wurde vor den Toren parkiert, ein Teil der Begleiter ging mit mir in die Stadt, der andere begaben sich auf die Suche nach einem Hotel.
Die Stadt liegt auf einem Hochplateau eines Ausläufer des Himalayas auf 2600 m.ü.M. Wir kamen im Februar dorthin und es war sehr kalt.
In die Altstadt wärmten wir uns in einem Teehaus auf; überall gibt es kleine Kanäle und Brücken, die Häuser sind aus Stein mit den geschwungenen grauen Ziegeldächer, mit Innenhof und geschnitzten Holzbalustraden. Ein wirklich hübsche Stadt; ich las dann später, dass das Volk der Naxi dort beheimatet ist, eine der vielen Minderheitsvölker in China.
Später trudelte noch der Rest der Gesellschaft ein, und wir gingen irgendwo essen; sie hatten ein Hotel draussen in der Vorstadt gefunden.
Damals gab es die 2 Klassen Hotels, Hotels für Touristen, und Hotels für Einheimische. Als wir zum Hotel kamen, staunten die Angestellten nicht schlecht, dass da in der Reisegruppe so ein grosser untypischer Chinese mitlief, der nota bene kein Wort der Sprache verstand. Nach langem Palaver und dem Wechseln von ein paar Yuen wurde dann der Europäer als Einheimischer anerkannt, und er konnte das Zimmer beziehen.
Ich war entsetzt, als ich das Zimmer betrat; es gab da nur eine Matratze und eine Wolldecke. Damit ich nicht erfror, zog ich alle Kleider an, die ich mitgenommen hatte, und wickelte mich in die Wolldecke. Es war sehr kalt, ich denke so -5 Grad; es gilt die Faustregel, dass südlich des Jangtse keine Heizungen vorhanden sind, und wir waren südlich des Jangtse! Am nächsten Morgen war draussen das Wasser gefroren, immerhin, ich lebte noch.
Wir fuhren mit dem Bus weiter in den Norden bis an den Fuss eines Berges, der zum Jadedrachen Gebirges gehört; der höchste Gipfel liegt über 5500 m.ü.M. Es gab da eine Drahtseilbahn, die auf eine Hochebene führt, aber die Bekannten beschlossen, zu Fuss hinauf zu gehen. Der Weg wand sich einem Bach entlang, durch einen Nadelwald. Weiter oben lag Schnee auf dem Weg, mit meinen Turnschuhen ging es so knapp, meine damalige Schwägerin trug Stöckelschuhe und rutsche dauernd auf der glatten Unterlage aus. Unglaublich, mit Stöckelschuhen ins Hochgebirge!
Auf dem Hochplateaus so auf 3500 m.ü.M. war eine kleine Festwirtschaft aufgestellt, wo das Volk der Naxi Folklore Darbeitungen zeigte, irgendwo gibt es da noch ein Erinnerungsfoto, ich umrahmt von den Tänzern.
Seit der Abfahrt von der Grossstadt hatte ich als passionierter Kaffeetrinker keinen Kaffee mehr trinken können; in dieser Festwirtschaft wurde Instantkaffee verkauft, normalerweise nicht mein Getränk, aber in der Not frisst der Teufel Fliegen. Es schmeckte köstlich.

Markt

Ich stand oft am Morgen früh vor dem Hotel, rauchte und sah dem Treiben auf der Strasse zu.
Die Bauern brachten auf ihren Traktoren das frisch geerntete Gemüse in die Stadt; vor Beginn der kapitalistischen Revolution zogen Pferde oder Esel die Karren. Rund um Stadt gab es viele Gemüsefelder, neu alle mit diesen Plastikdächern und -folien versehen. Die Erde dort ist rot, was auf sehr viel Eisen hin deutet.
Da fuhren sie also in die Stadt, beladen mit Chinakohl, Lotus, Stangenspinat, Lauch und was auch immer.
Jedes Quartier wies seinen eigenen kleinen Markt auf, mit Plastik oder Wellblech überdacht, da es nicht unüblich ist, dass es zu regnen beginnt. Das Gemüse wurde auf dem Boden ausgebreitet, daneben wurde auch Fleisch, Fisch, Hühner, Enten, Blumen und teilweise Vorgekochtes angeboten. Die Fische schwamen in Plastikbehälter, manschmal verkaufte auch ein Händler Süsswasserkrabben und -krebse. Das Fleisch vorallem Schwein lag in grossen Stücken auf dem Tisch; man konnte zum Beispiel Rippen kaufen und der Metzger schnitt mit dem grossen Fleischmesser die gewünschte Anzahl ab. Es gab da auch eine Hackmaschine, wo das Fleisch verkleinert werden konnte.
Diese war ziemliich nützlich, da ich angeboten hatte, geschnetzeltes Schweinfleisch und gebratenene Kartoffeln zu kochen, im Nachhinein ein grober Fehler. So zerkleinerte der Metzger für die Langnase das Fleisch, und ich begab mich in die Küche und hantierte da mit Pfannen und Geräten herum; das Fleisch zum Braten war zwar ok, aber die gebratenene Kartoffeln missrieten total; gerade in China, wo das Essen einen wichtigen Stellenwert einnimmt, sollte sowas unbedingt vermieden werden. naja, sie waren wenigstens höfflich und sagten ein paar nette Worte.
Diese Quartiermärkte verlieren zwar an Bedeutung, weil es immer mehr und mehr Supermärkte gibt mit Lebensmittelabteilungen; verschwinden werden sie nie, da ein guter Koch Wert auf frische Lebensmittel legt und die Preise auf dem Markt doch billiger sind als im Lebensmittelladen.

Blutsauger

Rückblickend betrachtet waren meine damalig neuen chinesischen Verwandten Blutsauger; da kommt der Neue aus dem Westen, und Westen wird mit Geld, Luxus und was weiss ich assoziert. Quit ergo, auch der neue da schwimmt im Geld, was natürlich damals überhaupt nicht stimmte; das Geld für die Reise schuldete mir mein Bruder, weil er eine Wette verloren hatte, das Flugticket für Shuqing bezahlte ich. Aber eben, bei den Diskussionen über Einkommen und Preise muss ich ihnen wie der Prinz von Persia erschienen sein, dabei war ich damals arm wie eine Kirchenmaus.
So, ich musste für alles bezahlen, für das Übernachten bei ihnen, für die Reise ins Landesinneren, für den neuen Fernseher und was weiss ich. Das einzige, was ich gerne bezahlte, war das Essen für alle zusammen, wobei mir beim Anblick der Leute nie klar wurde, wie diese eigentlich miteinander verwandt waren. Es war erstaunlich, dass in einem sozialistischen Land wie China ein totaler Wild West Kapitalismus ausbrach; solange die staatliche Ordnung nicht in Frage gestellt wird, kann man machen, was man will. Das Motto ist: reich werden ist keine Schande.
So begannen auch sie, Immobilien zu kaufen, nota bene ohne über die Geldmittel zu verfügen. Es ist wie Lotto spielen: man kauft irgend eine Wohnung, wohnt nie drin, und verkauft diese wieder, wenn die Preise gestiegen sind. Dieser Wildwuchs veranlasste die Regierung, den Erwerb einzuschränken; d.h. pro Ehepaar darf nur eine zusätzliche Wohnuung gekauft werden, worauf sich mein damaliger Schwager scheiden liess, damit seine Frau auch eine Wohnung kaufen konnte.
Als die Banken dann etwas Cash für ihre Investitionen sehen wollten, brachte dies die Verwandten doch in eine gewisse Verlegenheit, und eine schüchterne Anfrage gelangte zu mir, ob denn nicht ich…
Es gibt auch Verlierer, dass sind die älteren Leute, die von einer mickrigen Pension leben und hoffen, von ihren Kindern etwas unterstützt zu werden. Meisten haben diese dann noch etwas Würde, wie mein ehemalig inzwischen verstorbener Schwiegervater.

Reisschnaps

Während Europa der Kontinent der Bier und Weinsäufer ist, ist China das Land der Schnapstrinker. Es gibt hunderte von verschiedenen Sorten, die erlesenen stammen oft von irgend welchen tibetischen Getreidesorten. Es gibt auch Schnapsmessen, wo die Hersteller ihre Produkte anpreisen. Analog zu den teueren Zigaretten dient die Marke Maotai als Bestechungsgeschenk; er ist 70 % stark und sehr teuer. Nur eine einzige Fabrik stellt ihn her, aus roter Hirse und Weizen.
Auf dem Markt kann an aus riesigen Glasflaschen die eigene Flasche auffüllen, oder in kleinen Lebensmittelgeschäften kann man Trinkbecher mit Schnaps kaufen, die billiger sind als eine Mineralwasserflasche. Unglaublich.
Zum Essen schenkte mir mein ehemaliger Schwager jeweils in einem kleinen Becher Schnaps ein, welches in einem Schluck runter gespült wird. Kaum ist das Glas leer wird sofort wieder nach gefüllt. So nach drei Gläsern begann ich etwas den Boden unter meinen Füssen zu verlieren und musste meistens eine kleine Pause einlegen. Das Zeugs ist unheimlich stark.